Menschen mit Behinderung: Barrieren auf dem Arbeitsmarkt abbauen – Inklusion stärken!

Menschen mit Behinderung: Barrieren auf dem Arbeitsmarkt abbauen – Inklusion stärken!

Die Diakonie Schleswig-Holstein fordert Chancengleichheit für Menschen mit Behinderungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Dazu müssten die Bedingungen sowohl in der Privatwirtschaft als auch im öffentlichen Dienst an den Bedürfnissen der Betroffenen ausgerichtet werden, so der Wohlfahrtsverband mit Blick auf den Europäischen Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen am 5. Mai. Bei der Vermittlung in den allgemeinen Arbeitsmarkt könnten aus Sicht der Diakonie die Werkstätten für Menschen mit Behinderung eine wichtigere Rolle spielen. Dazu seien aber veränderte Rahmenbedingungen notwendig. Menschen mit Beeinträchtigungen sind überdurchschnittlich oft von Arbeitslosigkeit betroffen und sehr schwer vermittelbar.

Laut Regionaldirektion Nord der Bundesagentur für Arbeit lag 2022 in Schleswig-Holstein der Anteil der Langzeitarbeitslosen unter den arbeitssuchend gemeldeten Menschen mit Behinderungen bei gut 43 Prozent. Der Vergleichswert bei Menschen ohne Behinderung liegt bei 34 Prozent. Von den 6.000 Unternehmen in Schleswig-Holstein, die dazu verpflichtet sind, je nach Größe einen bestimmten Prozentsatz an Menschen mit Behinderungen einzustellen, sind dieser Pflicht nur knapp 42 Prozent vollständig und knapp 33 Prozent teilweise nachkommen. Jedes vierte Unternehmen, das eigentlich müsste, beschäftigt gar keinen Menschen mit Behinderungen, sondern zahlt lieber die Ausgleichsabgabe in Höhe von monatlich bis zu 740 Euro pro Arbeitsplatz.

„Arbeit ist ein wesentlicher Bereich für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Hier können wir einer Tätigkeit nachgehen, die uns ausfüllt und unsere Existenz sichert“, sagt Landespastor und Diakonievorstand Heiko Naß. „Dass Menschen mit Behinderungen in hoher Zahl davon ausgeschlossen sind, können und dürfen wir uns alles Gesellschaft nicht mehr leisten! Viele haben anerkannte Qualifikationen, von denen Unternehmen gerade auch in Zeiten des Fachkräftemangels profitieren könnten. Das Problem lässt sich nicht mit einer Ausgleichsabgabe lösen, sondern nur mit dem konsequenten Abbau von Barrieren, einer zielgerichteten Förderung der Unternehmen sowie verlässlichen Unterstützungsangeboten für die Beschäftigten mit Behinderungen.“

Bei der Vermittlung von Menschen mit Beeinträchtigungen in den allgemeinen Arbeitsmarkt sollten aus Sicht der Diakonie die Werkstätten für Menschen mit Behinderung eine größere Rolle spielen. Allein in den diakonischen Werkstätten in Schleswig-Holstein gibt es 8.000 Beschäftigte, von denen zahlreiche gut qualifiziert sind. Von diesem Potential könnte der allgemeine Arbeitsmarkt profitieren. Außerdem verfügen die Werkstätten über Kenntnisse, wie Arbeitsplätze barrierefrei gestaltet und Beschäftigte begleitet werden sollten.

Bislang allerdings lässt sich nur eine geringe Zahl der Werkstattbeschäftigten vermitteln. Das liegt vor allem an hohen Hürden im allgemeinen Arbeitsmarkt. Dazu gehören Vorurteile, eine unzureichende Begleitung und ein Mangel an barrierearmen Arbeitsplätzen. Hinzu kommt, dass Betroffene den hohen Druck in der freien Wirtschaft fürchten.

Aber auch die gesetzlich vorgegebenen Rahmenbedingungen für die Werkstätten können Wechsel in private oder öffentliche Unternehmen hemmen. Die Werkstätten haben einen Rehabilitationsauftrag für alle Beschäftigten. Gleichzeitig sind sie verpflichtet, marktorientierte Arbeitsaufträge zu erlangen und ein Arbeitsergebnis zu erwirtschaften, um den Werkstattlohn zu zahlen. Dadurch werden sie in einen Interessenkonflikt gedrängt: Sie wollen für Beschäftigte den Weg auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ebnen, verlieren damit aber Mitarbeitende, die zum wirtschaftlichen Ergebnis beitragen. Die Diakonie setzt sich deshalb für eine Reform des Werkstattlohns ein, mit dem Ziel, die Vergütung gerechter zu gestalten und damit den wirtschaftlichen Druck von den Werkstätten zu nehmen.

Ein weiterer Aspekt ist das sogenannte Budget für Arbeit. Diese Mittel sollen Werkstattbeschäftigte beim Wechsel in den allgemeinen Arbeitsmarkt unterstützen. Das Budget umfasst einen Lohnkostenzuschuss sowie die Finanzierung von begleitenden Maßnahmen an einem Arbeitsplatz in einem Unternehmen. Begleitet wird das Budget von unterschiedlichen Institutionen, oftmals außerhalb der Werkstätten. Für die Beschäftigten stellt das wiederum eine zusätzliche Barriere dar. Insofern setzt sich die Diakonie dafür ein, dass das Budget für Arbeit flächendeckend auch von Werkstätten begleitet werden kann.

Dass trotz aller Barrieren Werkstattbeschäftigte in den allgemeinen Arbeitsmarkt vermittelt werden können, stellen viele diakonische Werkstätten immer wieder unter Beweis. Ein Beispiel hierfür ist die Stiftung Mensch in Meldorf. Der Träger mehrere Werkstätten hat im Kreis Dithmarschen mit inzwischen 31 Unternehmen die „Soziale Allianz“ gebildet. Ziel ist es, gemeinsam inklusive Arbeitsplätze zu schaffen und Menschen mit und ohne Behinderung zusammenzubringen. Dazu initiiert die Allianz auch den „WerkstattDIALOG“ und kulturelle Veranstaltungen.

Darüber hinaus sind in der Stiftung Mensch sogenannte Jobcoaches aktiv. Mit hohem Aufwand begleiten und unterstützen sie Werkstattbeschäftigte bei einem Wechsel in Privatunternehmen, vom Praktikum bis zum festen Job. Gleichzeitig beraten sie die beteiligten Unternehmen, welche Arbeiten von Werkstattbeschäftigten übernommen werden können, wie ein barrierefreier Arbeitsplatz aus aussehen muss und welche Vorteile sich aus der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung ergeben. In den letzten Jahren konnten die Jobcoaches mehr als 60 Werkstattbeschäftigte in einen Job auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vermitteln.

2024-04-30T10:08:22+02:0030.04.24|